Obwohl es eiskalt ist, kommt Kai Fricker ganz schön ins Schwitzen. Der Lehrling sitzt zum ersten Mal auf dem Hydraulikkran des Holztransporters. Mit kleinen Hebeln muss er den klobigen Greifarm zum nächsten Baumstamm steuern, der zum Aufladen bereitliegt. Sein Lehrmeister Raphael Läuchli beobachtet ihn und gibt wertvolle Tipps. Der Betriebsleiter des Nassmatthofs weiss aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, den Greifarm in den Griff zu bekommen: «Super, wie Kai das macht!»
Kai Fricker ist der erste Lehrling, den Raphael Läuchli ausbildet. Er sagt: «Klar, ich wäre beim Holzaufladen viel schneller, aber darum geht es nicht. Für mich ist ein Lehrling nicht einfach eine billige Arbeitskraft. Kai muss alle wichtigen Arbeiten kennenlernen. Nur so wird er ein guter Landwirt»
Auf Umweg zur Landwirtschaft
Ursprünglich wollte Raphael Läuchlis Bruder den Nassmatthof übernehmen. Raphael Läuchli erinnert sich: «Wir Brüder sagten immer, wie gut wir uns ergänzen, ich der gelernte Lastwagenmechaniker und mein Bruder der Landwirt.» Aber es kam anders. Raphael Läuchlis Bruder schied tragisch aus dem Leben. Raphael entschied sich zu einer Zweitausbildung als Landwirt und absolvierte anschliessend die Betriebsleiterschule.
Beugte er sich dem Druck, den elterlichen Betrieb übernehmen zu müssen? Raphael Läuchli verneint: «Meine Mutter ist eine Städterin und nicht in der Landwirtschaft aufgewachsen. Sie hat uns stets klargemacht, dass niemand von uns erwartet, den Hof zu übernehmen. Wir sollten einen Beruf wählen, der uns glücklich macht.»
Enge Zusammenarbeit der Generationen
Raphael Läuchli fand das Glück nicht nur im Beruf. Seit 2018 führt er den Hof gemeinsam mit seiner Frau Sabrina. Vor einem halben Jahr kam Töchterchen Melissa zu Welt. Raphael Läuchlis Eltern, Ursi und Beat, wohnen einige Hundert Meter entfernt in einem modernen Auszugshaus. Am Mittagstisch sitzt jeweils die ganze Familie zusammen und bespricht den Tag. Raphael Läuchli: «Wenn man so eng zusammenarbeitet wie mein Vater und ich, ist die räumliche Distanz wichtig. Sonst geht man sich irgendwann auf die Nerven – egal, wie gut man sich versteht.»
Der Nassmatthof umfasst 53 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche und elf Hektaren Wald. Auf einem Teil der Felder baut Raphael Läuchli Winterweizen und Speiseraps für den Handel an. Die restlichen Ackerbauflächen nutzt er zur Futtergewinnung für seine Tiere. Namentlich sind dies: Wintergerste, Mais, Kunstwiese und Eiweisserbsen.
«Wir spritzen doch nicht zum Vergnügen!»
Besonders interessant beim Raps: Wird Rapsöl gepresst, entsteht als Nebenprodukt Rapskuchen, der in Form von Pellets oder Flocken als eiweiss- und fettreiches Futter in der Mast eingesetzt wird. Der grosse Haken: Raps ist anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Beat Läuchli sagt: «Wenn die Trinkwasser-Initiative angenommen wird, wird es keinen Schweizer Raps mehr geben!» Denn ohne Pflanzenschutz wird es zu so grossen Ernteausfällen kommen, dass sich der Anbau nicht mehr lohnt. Raphael Läuchli ergänzt: «Wir spritzen doch nicht aus Vergnügen! Spritzmittel sind teuer und aufwändig im Einsatz. Wenn ich könnte, würde ich gerne darauf verzichten.»
Der Nassmatthof heisst nicht zufällig so. Die Böden zwischen Falten- und Tafeljura sind lehmhaltig und grobschollig. Keine optimalen Voraussetzungen für den Ackerbau. Lachend sagt Raphael Läuchli: «Ginge es mir nur ums Geld, müsste ich voll auf extensive Ökoflächen mit hohen Direktzahlungen setzen. Aber ich bin Bauer. Mein Stolz ist es, hochwertige Lebensmittel zu produzieren.» Übrigens: Sein Betrieb weist 15 Prozent Biodiversitätsförderflächen aus, das ist mehr als doppelt soviel, wie das Gesetz vorschreibt.
Munimast im modernisierten Stall
Wenn Raphel Läuchli von hochwertigen Lebensmitteln spricht, meint er das Rindfleisch, das er produziert. Seine Munimast betreibt er mit 155 Munis, die er während zwölf bis 15 Monaten mästet. Die Kälber kauft er direkt bei Milchbetrieben oder bei Viehhändlern. Beat Läuchli hat den alten Stall aufwändig um- und ausgebaut, um die Anforderungen der Tierwohlprogramme von BTS und RAUS (siehe Kasten) zu erfüllen.
Das moderne Stallsystem wird mit drei unterschiedlichen Zonen dem natürlichen Verhalten der Munis gerecht. Die Tiere haben freien Zugang zu einem Liegebereich, einem Fress- und Tränkebereich sowie zu einem ungedeckten Aussenbereich. Damit der Liegebereich stets sauber und trocken ist, wird er bis zu zweimal täglich mit frischem Stroh ausgelegt. Während der Wintermonate schliesst Raphael Läuchli die Seitenwand des Liegebereichs. «Kälte macht den Munis nichts aus, aber Zugluft ist Gift für sie. Da holen sie sich schnell Krankheiten.»
Die Arbeitstage sind streng
Alle vier bis sechs Wochen mistet Raphael Läuchli den Liegebereich seiner Munis vollkommen aus. Der Mist dampft in der eisigen Winterluft, wenn er ihn mit dem Hoflader zur Grube fährt. Lehrling Kai Fricker hilft mit und reinigt die schwer zugänglichen Ecken im Stall. Die Arbeit macht ihm sichtlich Spass.
Wie sein Lehrmeister kam auch er über einen Umweg zur Landwirtschaft. Zuerst begann er eine Lehre als Elektriker. Er lacht: «Meine Arbeitstage waren kürzer und die Arbeit war viel leichter.» Aber es hat einfach nicht gepasst. Kai Fricker hat seinen Entscheid, den Lehrberuf zu wechseln, nie bereut: «An die strengen Arbeitstage musste ich mich zuerst gewöhnen. Aber die Arbeit mit den Tieren und den schweren Maschinen ist abwechslungsreich und bereitet mir grosse Freude!»
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