«Die Kartoffel hat mich bereits während des Studiums gepackt. Ein guter Dozent begeisterte mich für das Nachtschattengewächs», erinnert sich Raphael Müller. Er steht in der grossen Scheune des Huserhofs in Wohlen. Im Hintergrund lärmt die riesige Sortiermaschine. Am Fliessband stehen seine Eltern Vreny und Christian Müller sowie ein Angestellter. Mit flinken Händen lesen sie die schadhaften und unförmigen Kartoffeln heraus. Den Rest erledigt die Maschine. Alle Kartoffeln, die nicht im Bereich der Grössentoleranz und somit nicht den Anforderungen des Kunden entsprechen, werden aussortiert.
Fruchtfolge für den Starkzehrer
Nach der Lehre als Landwirt studierte Raphael Müller Agronomie an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften in Zollikofen. 2009 übernahm er den Huserhof in Wohlen von seinem Vater. Der Betrieb hat eine Fläche von 30 Hektaren, auf denen er rund 500 Tonnen Kartoffeln produziert. Daneben plant und bewirtschaftet Raphael Müller als Kartoffeldienstleister in Lohnarbeit weitere Flächen im Aargau und den umliegenden Kantonen.
Um die Vielfalt und Gesundheit von Kartoffel und Boden zu fördern und sichern, hält sich Raphael Müller an eine strenge Fruchtfolge. Er bepflanzt ein Feld nur alle fünf bis sechs Jahre mit Kartoffeln. Um trotzdem jedes Jahr gleich viel produzieren zu können, betreibt er mit seinen Nachbarhöfen einen ausgeklügelten Landabtausch.
Hohe Qualitätsanforderungen
Der Landwirtschaftsbetrieb von Raphael Müller ist ein modernes Unternehmen, je nach Saison mit bis zu acht Teilzeitangestellten. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss der Maschinenpark auf dem modernsten Stand sein. Seit einigen Jahren arbeitet Raphael Müller mit einem Partnerbetrieb in Wohlen zusammen, mit dem er sich viele Maschinen teilt. «Das macht ökologisch und ökonomisch absolut Sinn», ist Raphael Müller überzeugt.
Heute sortiert der Landwirt und Agronom Kartoffeln der Industriesorte Agria, die von der Firma Bischofszell Nahrungsmittel AG (Migros-Gruppe) zu Pommes frites verarbeitet werden. Im Abfallcontainer mit den aussortierten Kartoffeln landen auch Exemplare, die für den Laien einwandfrei aussehen. Raphael Müller erklärt: «Die Qualitätsanforderungen der Industrie sind sehr hoch. Damit die Kartoffeln maschinell geschält werden können, dürfen sie nicht zu unförmig sein.» Der Ausschuss wird als Futter für die Kühe an andere Landwirte verkauft.
Kartoffeln im Weltall
Die Kartoffel ist eines der wichtigsten und am weitesten verbreiteten Nahrungsmittel – vorerst auf der Erde, aber das könnte sich dereinst ändern. 1995 flogen einige Kartoffelpflanzen mit dem Space Shuttle ins All und gediehen auch in der Schwerelosigkeit prächtig. Nach Europa kam die Kartoffel im 16. Jahrhundert auf Schiffen aus Südamerika. Heute werden weltweit jährlich rund 380 Millionen Tonnen Kartoffeln geerntet. Schweizerinnen und Schweizer essen pro Jahr rund 45 Kilo der vielseitigen Knolle.
Weniger Pflanzenschutzmittel dank High-tech
Der Agronom engagiert sich intensiv beim Projekt PFLOPF (Pflanzenschutzoptimierung mit Precision Farming). Das Projekt will mithilfe von moderner Technik wie Roboter, GPS und Drohnen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um mindestens 25 Prozent senken – ohne Ertragsverlust. Am Projekt der Kantone Aargau, Zürich und Thurgau beteiligen sich 60 Betriebe mit rund 900 Hektaren Acker-, Gemüse-, Obst- und Rebfläche.
Im Rahmen des Projekts arbeitet Raphael Müller eng mit dem Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg zusammen. Er testet eine neue Maschine für die mechanische Unkrautbekämpfung, ein hochpräzises GPS-System das die Düsen seiner Pflanzenschutzmittelspritze einzeln steuert und ein Softwareprogramm, das Krankheitsprognosen für seine Kartoffeln berechnet.
Schweinezucht als stabiles Standbein
Nässe, Pilze, Schnecken, Bakterien – der Kartoffelanbau ist grossen Ertragsschwankungen unterworfen. In einem schlechten Jahr kann der Ertrag um die Hälfte zusammenbrechen. Da ist es gut, mit der Schweinezucht ein stabiles zweites Standbein zu haben. Unter dem Label IP Suisse züchtet Raphael Müller mit 75 Muttertieren Schweine.
Spannender Zweitjob
Raphael Müller leitet ausserdem die Geschäftsstelle der Agricon GmbH in Muri. Die Firma führt im Auftrag des Kantons sowie verschiedener Organisationen und Labels Qualitätskontrollen in der Landwirtschaft durch. Ist das nebst der Arbeit auf dem eigenen Hof und der Lohnarbeit als Kartoffeldienstleister wirklich noch nötig? Raphael Müller lacht: «Durch den Job bei der Agricon kann ich viel für meinen eigenen Betrieb profitieren und mein Fachwissen breiter anwenden. Zudem ist es unglaublich spannend und bereitet mir sehr viel Spass.»
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